Ein offener Brief – „Und was ich noch zu sagen hätte…“

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„Tja, jetzt sitze ich hier oben, und mir drängt sich der Gedanke auf, welche Ironie es doch ist, ausgerechnet am Kappessonntag, dem 23. März 2020, Hochtag des Nüsser Fastelovends für immer gehen zu müssen. Für mich als Vollblutkarnevalist hat dieser Gedanke natürlich seinen Reiz, wohl nur der Preis ist offensichtlich zu hoch. Ich vermisse meine Gisela, meine Familie, meine Freunde, minje Jürjen. Es war wie immer zu früh, wie immer zu unvorbereitet und wie immer zu schrecklich.

Wisset, als Ältester von 5 Geschwistern wurde ich einst in Cochem an der Mosel geboren. Ich weiß es noch wie heute, der 21.06.1952 war ein heißer Tag, ganz Europa litt unter einer Hitzewelle. 11 Jahre später zog ich dann nach Neuss. Ein hübsches Städtchen, aber eigen. Die dort mit ihrem Schützenwesen. Na ja gut, so blieb es auch nicht aus, dass ich bald selber Schütze wurde, als Höness im Jägerzug Rotfuchs. Und was habe ich mich immer gezofft, immer dann, wenn es den Königsorden zu verteilen gab.

Da war mir das Tanzen im Karneval ein schöner Ausgleich. Nein, nicht als Gardeoffizier, damals, elfengleich, tanzte ich in einem Männerballett, jawohl. Ihr könnt es mir ruhig glauben, ich war bei den Damen beliebt. Und ich wollte mehr. Es zog mich auf die Bühne. Ich ließ mich zum Büttenredner ausbilden und trat fürderhin als „De Nüsser Buur“ auf. In der Session 1995/1996 erfüllte ich mir schon mal vorerst  einen Lebenstraum. Ich wurde Prinz Karneval in Neuss, in der Stadt, der ich vor 33 Jahren versprach zu bleiben. Ein Höhepunkt in meinem Wirken, gewiss, aber ich wusste ja auch noch nicht, dass weitere folgen würden. Im Übrigen, so ganz nebenbei, absolvierte ich eine Lehre als Fernmeldehandwerker. Seinerzeit eine hoheitliche Aufgabe, die zwar eine Verbeamtung mit sich brachte, aber leider, jetzt als Staatsdiener, auch  was weniger Geld einbrachte. Wat soll´s. Und immer noch blieb so viel Zeit um Neues zu entdecken übrig.

Keine Ahnung genau, wie ich auf Eishockey kam, aber flöcks war ich Funktionär beim Neusser Schlittschuh Club und beim Duisburger Schlittschuh Club. Mitzuwirken, und zwar mittendrin, das mochte ich. Ich wollte gestalten, wollte Motor sein, andere begeistern. Möglich, dass ich manchmal zu viel wollte. Dadurch war ich sicherlich des Öfteren auch Reibungspunkt.  Es lässt sich nicht leugnen, ich übernahm gerne Führungsverantwortung. Ich tat mich hervor als Fackelbauer, Wagenbauer, gestaltete eine Ordensserie, war Ritter der Föderation Europäischer Narren, Vizepräsident des Karnevalsverband Linker Niederrhein, ehemaliges Mitglied im Karnevalsausschuss Neuss, Sitzungspräsident der Seniorensitzung der Stadt Neuss, Sitzungspräsident bei meiner geliebten Großen Karnevalsgesellschaft Grün-Weiß-Gelb , zum guten Schluss Gründungsmitglied der Kappesköpp und zuletzt der Kappesköpp Bass.

Nun ja, was soll ich sagen, irgendwo dort auf meinem wuseligen Weg, lernte ich einen besonderen, jungen Mann kennen, de Jürjen, von dem ich nicht ahnen konnte, dass ich mit ihm mehr als 40 Jahre lang über die Karnevalsbühnen der Republik tingeln würde. Das „Duo S & Z“? Mag sein, dass ihr den Namen nicht besonders kreativ findet, auf der Bühne waren wir es dafür umso mehr. Wir feierten Erfolge und es fehlte bloß ein bisschen noch, dann wären wir im Gürzenich aufgetreten. Dort, ich sehe es vor mir, fällt der finale Vorhang und die Mainzer Hofsänger eskortieren uns mit Pomp, Prunk und Gesang von der Bühne. Ein Traum, ach was wär´ dat herrlich gewesen. Ähm, die CD übrigens, mit unserer Gesangsaufnahme, lasst ihr besser im Schrank.

Wie mir dieser schöne Quatsch jetzt schon fehlt, die Schützenparaden, Trödelmärkte, Karnevalsumzüge, aber am allermeisten die unvergesslichen Amerikareisen mit meiner geliebten Gisela. Wohl denn Ihr feinen Leut´, bleibt mir gewogen. Ich vergesse Euch hier oben nicht, lasst mich bitte auch für Euch unvergesslich bleiben.“

Wir, die Kappesköpp, verneigen uns vor einem großartigen Macher und vermissen einen wunderbaren Clown. Einem der die Menschen zum Lachen und zum Nachdenken brachte. Und nun, da er nicht mehr da ist, auch zum Weinen.